Bikepacking Norwegen

Ha Det, Norge! Takk!

Tagebuch

Nun sitze ich ich meinem Hotelzimmer, genieße die letzten Minuten des herrlichen Ausblickes auf die Schären und versuche meine aufgewühlten Gedanken zu ordnen.

 

Rundweg 1500 Kilometer, 18.000 Höhenmeter, 90 Stunden Nettofahrzeit, das sind die puren sportlichen Daten. Done & dusted.

 

Was lange nachhallen wird, sind die atemberaubend schönen und verschiedenartigsten Landschaften. Der Rallarvegen in der Hochebene des Hardangervidda, die Inselwelt der felsigen Schären, steilen Fjorde und endlosen Wälder. Ungezählte Wasserfälle, weisse Strände und pittoreske Buchten, Häfen mit tausenden Booten, Fähren, weisse Holzhäuser mit herrlichen Ausblicken. Einsamkeit. Entspannte, offene, interessierte und sehr hilfsbereite Menschen, nette Unterhaltungen und Begegnungen. Großes Wetterglück mit ungewöhnlich viel Sonne und wenig Regentagen. Kälteeinbruch am Rallarvegen.

 

Das Zelt hat mir die Möglichkeit gegeben meine Route sehr frei zu planen. In der dünn besiedelten Mitte des Landes sind Hotels kaum noch auffindbar und sogar Campingplätze werden selten. Das hat mir teils kuriose Unterkünfte beschert: Schlafen in einem Tipi Zelt oder einem Baumhaus, im musealen Hotel, in der großen Trekkinghütte am Rallarvegen mit Sicht auf den Hardanger Gletscher oder in einem ehemaligen Knast waren die ungewöhnlichsten Optionen. 

 

Manchmal wurde unterwegs schon die Versorgung mit Nahrung zu einer Herausforderung. Ich war froh, mir ausreichend Fertignahrung vorher selbst zubereitet zu haben. Die Wasserversorgung war dagegen kein Problem: Einfach die Wasserflasche in den nächsten Wasserfall halten - voila!

 

Meine Ausrüstung war nahezu perfekt. Ich habe alles, was ich dabei hatte auch tatsächlich gebraucht. Und gleichzeitig nichts vermisst.  Mein selbst aufgebautes Rad hat ohne jegliche Panne durchgehalten. Nur mein Frontlicht ist wegen Feuchtigkeitsproblemen zeitweise ausgefallen. Sich auf die mit 12 Kilogramm ultraleicht optimierte Ausrüstung derart verlassen zu können ist sehr beruhigend. Wer nachlesen möchte, finde HIER viele Tipps.

 

Rad fahren in Norwegen ist durch die zurückhaltende und vorsichtige Fahrweise der norwegischen Autofahrer, der kleinen Sträßchen mit wenig Verkehr oder großzügiger Radwege an vielbefahrenen Strassen sicher. Um von einer Insel zur Nächsten zu kommen, ist es manchmal unvermeidbar kurzzeitig auf den ganz grossen Verbindungen fahren zu müssen (zum Beispiel der E39). Hier ist vorab zu klären, ob Tunnel oder Brücken mit dem Rad zu befahren sind. 

Unbedingt erforderlich ist Licht am Rad. Im einsamen Norden und im Binnenland gibt es einige komplett unbeleuchtete, lange (1 bis 2 Kilometer) Tunnel. 

An der Westküste zwischen Bergen und Arendal ist es belebter und damit  verkehrsreicher, insbesondere in den Zufahrten der Städte wie Bergen ober Stavanger. 80% der Norweger wohnen maximal 10 Kilometer von der Küste entfernt. "Voll" nach deutschen Maßstab ist es nirgends. 

 

Eine Solotour ist besonders. Auf sich allein gestellt zu sein ist in einem sicheren Land wie Norwegen kein grosses Risiko, aber dennoch herausfordernd. Den komplett eigenen Rhythmus zu finden, im Rad fahren wie in der Alltagsroutine, ist ein grosser Vorteil. Viel allein zu sein manchmal langweilig, manchmal auch schön. Ich denke ich werde in Zukunft beides beibehalten, Solo- und Gruppentouren, je nach Ziel und Zeit.

 

 

Jetzt sehe ich die Fähre, die mich nach Hause bringen wird, in den Hafen einlaufen und freue mich unbändig darauf, "meine Männer" (Mann & Sohnemann) wieder in die Arme nehmen zu können. Drei Wochen sind nicht wirklich lang, aber ich vermisse sie sehr.

 

Gleichzeitig schwirren in meinem Kopf diffuse Ideen, was als nächstes kommen könnte. Schottland, England und Irland stehen oben auf der Liste. Sie wären solo machbar. Aber auch fernere Ziele könnte ich mir gut vorstellen: Über Georgien oder Kirgisistan (beides nicht als Solotour) habe ich beeindruckende Berichte gelesen. Neuseeland muss fantastisch sein. 

 

Jetzt heisst es erstmal HA DET, TAKK, NORGE!